Selber klagen? Was ihr beachten müsst.
Im Arbeitsrecht ist es in manchen Fällen auch möglich selbst, ohne anwaltliche Hilfe, seine*n Chef*in zu verklagen. Damit könnt ihr in einfachen Fällen Kosten sparen. Wenn der der Fall komplizierter wird, ist es immer noch möglich später Anwält*in oder Gewerkschaft einzuschalten!
Wir wollen an dieser Stelle einige Hinweise dazu geben, wie das funktioniert. Mustervorlagen für typische Klagefälle findet ihr zum Beispiel auf der Seite des Arbeitsgerichts Halle:
https://arbg-hal.sachsen-anhalt.de/service/formulare-rechtsantragstelle/
Was ist allgemein beim Einreichen einer Klage zu beachten?
Es gibt einige Formvorschriften. So muss eine Klage eine vollständige, ladungsfähige Anschrift der klagenden und beklagten Partei, sowie des Gerichts enthalten. Darauf folgen ein oder mehrere Klageanträge, eine Klagebegründung, sowie zum Schluss eine Unterschrift.
Welches Gericht ist zuständig?
In der Regel ist das Arbeitsgericht zuständig, in dessen Bezirk ihr eure Arbeit verrichtet bzw. zuletzt verrichtet habt. Damit kann sich das zuständige Gericht von eurem Wohnort unterscheiden.
Vollständige, ladungsfähige Anschriften:
- Ladungsfähig bedeutet, dass die Person oder Firma tatsächlich unter dieser Anschrift erreichbar ist.
- Ein Postfach kann nicht angegeben werden.
- Wenn eine Firma oder sonstige Gesellschaft verklagt wird, so muss die Person benannt werden, welche die Gesellschaft vertritt. In der Regel ist das die Geschäftsführung, namentlich zu finden meist im Impressum der Webseite der Firma.
Klageanträge:
Hier müsst ihr kurz in Form eines Antrages oder mehrerer Anträge darstellen, was ihr genau erreichen wollt. Das kann sein, dass die Gegenseite euch eine bestimmte Summe Geld bezahlt, etwas bestimmtes tut oder es unterlässt zu tun.
Seid hier so genau wie möglich. Wenn es um Lohnforderungen geht, steht euch in der Regel der Bruttolohn zu. Wenn ihr den Arbeitgeber bereits vergeblich zur Zahlung aufgefordert habt, stehen euch auch Zinsen zu. Macht auch diese im Antrag geltend.
Beispiel für eine Forderung an Geld:
Ich beantrage: Die Beklagte wird verurteilt mir 3.000,00 EUR brutto nebst Zinsen i.H.v. fünf Prozent über dem Basiszinssatz seit dem … zu zahlen.
Beispiel um gegen eine Kündigung vorzugehen:
Ich beantrage festzustellen, dass mein Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom … zum … nicht aufgelöst wird.
Es gibt eine ganze Reihe von Einzelheiten, die man dazu wissen kann und die wir hier nicht ausführen können. Man muss sich nicht davon abschrecken lassen, wenn man sich nicht sicher ist, wie ein Klageantrag wirklich zu formulieren ist. Das Gericht ist innerhalb bestimmter sogar Grenzen verpflichtet, euch darauf hinzuweisen, wenn ihr den Antrag anders formulieren müsst.
Klagebegründung:
Hier müsst ihr beschreiben, warum ihr einen Anspruch auf eure Forderung habt. In arbeitsgerichtlichen Verfahren bedeutet dies oft zunächst zu belegen, dass ihr Angestellte der beklagten Firma seid. Dafür könnt ihr euren Arbeitsvertrag als Anlage beifügen. Weiter ist es oft nötig über die Dauer des Arbeitsverhältnisses und die Lohnhöhe zu informieren. Wenn ein bestimmtes Ereignis eurer Forderung zu Grunde liegt, müsst ihr dies beschreiben und so gut es geht belegen. Oft ist es auch hilfreich die Vorgeschichte des Streites bzw. den bisherigen Streit selbst zu schildern, z.B. durch Vorlage von bereits geführtem Schriftverkehr.
Im Grunde müsst ihr einer dritten, bisher unbeteiligten Person (der Richterin*dem Richter) einen Konflikt schildern, die den Konflikt nicht kennt. Dieser Person muss der Konflikt verständlich beschrieben sein und glaubhaft gemacht werden.
Ihr müsst lediglich die Tatsachen vortragen, auf die ihr euer Klagevorbringen stützt, und zwar rechtzeitig. Es kommt weniger darauf an, zu der Rechtslage ausführlich Stellung zu nehmen. Aber wenn die Tatsachen nicht oder zu spät vorgetragen werden, berücksichtig das Gericht sie auch nicht. Für alle relevanten Tatsachen sollte man auch Beweis anbieten. Verspätet vorgetragene Tatsachen oder verspätet angebotene Beweise können zurückgewiesen werden.
Bedenkt hierbei, dass schriftliche Beweise vor Gericht in der Regel mehr Gewicht haben als Schilderungen von Zeug*innen. Wenn ihr etwas schriftlich nachweisen könnt, fügt es eurer Klage direkt an. Habt ihr Zeug*innen zum Beweis bestimmter Umstände, so benennt die Zeug*innen konkret und gebt eine ladungsfähige Anschrift der Zeug*innen an. Die Aussage der klagenden Partei selbst ist in aller Regel kein Beweismittel.
Wenn ihr für etwas keine konkreten Belege / Beweise habt, so lasst euch nicht gleich verunsichern. Im Grunde muss nur das unter Beweis gestellt werden, was von der Gegenseite bestritten wird. Es kann also auch sein, dass die beklagte Seite eurer Schilderung folgt.
Unterschrift:
Jede Klageschrift muss eigenständig von der klagenden Person bzw. einer von ihr bevollmächtigten Person unterschrieben werden.
Abschriften:
Es ist ratsam, eure Klage einmal oder zweimal zu kopieren und damit also in zweifacher oder dreifacher Ausfertigung einzureichen. Das Gericht behält eure Klage für die eigene Aktenführung. Die zweite Version stellt es der beklagten Partei zu. Wenn die Gegenseite anwaltlich vertreten wird, erhält sie zwei Abschriften – eine für die Anwältin*den Anwalt und eine für die konkret beklagte Person.
Ihr müsst nicht zwingend Kopien eurer Klagen – und eventuell weiterer Schreiben an das Gericht – anfertigen. Allerdings fertigt das Gericht dann selbst Kopien an und stellt euch das in Rechnung.
Der allgemeine Ablauf:
In arbeitsgerichtlichen Verfahren findet in der Regel zwei bis sechs Wochen nach Klageeinreichung als erstes eine Güteverhandlung statt. Hier wird zunächst verhandelt und versucht einen Vergleich abzuschließen. Die*der Richter*in fällt hier kein Urteil, sondern versucht zunächst nur zu vermitteln. Hier könnt ihr im Grunde frei verhandeln und feilschen. Die Rechtslage wird nur sehr oberflächlich geprüft. Wenn die Gegenseite mit Anwältin*Anwalt erscheint, ihr aber nicht, dann muss die*der Richter*in euch ein bisschen „helfen“ und zumindest auf eindeutige Rechtsfehler hinweisen, wenn ihr welche macht.
Wenn kein Vergleich zustande kommt, dann wird eine Kammerverhandlung einberufen, ca. ein halbes Jahr später. Hier wird die Rechtslage genauer geprüft und dann auch ein Urteil gefällt.
Wenn das Urteil euch nicht gefällt, dann wäre spätestens jetzt der Zeitpunkt euch anwaltliche oder gewerkschaftliche Unterstützung zu suchen. Wichtig ist hier, dass ab der Zustellung des Urteils eine Frist von einem Monat läuft, innerhalb derer ihr gegen das Urteil Berufung einlegen könnt.
Kosten:
In der Arbeitsgerichtsbarkeit muss in der ersten Instanz jede Partei ihre eigenen Kosten tragen. Wenn ihr also verliert, müsst ihr nicht die Anwaltskosten der Gegenseite tragen – wie sonst in Zivilprozessen üblich. Ihr müsst nur eure eigenen Kosten tragen.
In der Güteverhandlung fallen auch keine Gerichtskosten an. Bis zur Güteverhandlung ist das finanzielle Risiko selbst zu klagen also gleich null (wenn ihr euch nicht anwaltlich vertreten lasst).
In der Kammerverhandlung fallen dann allerdings Gerichtskosten an. Hierbei gilt folgendes:
- Wenn ihr den Prozess verliert (euer Antrag wird komplett abgelehnt), zahlt ihr die Gerichtskosten voll.
- Wenn ihr den Prozess gewinnt (eurem Antrag wird komplett stattgegeben), zahlt die Gegenseite die Gerichtskosten.
- Wenn ihr den Prozess teilweise gewinnt (z.B. euch werden 60% eurer Forderung zugesprochen), zahlt ihr die Gerichtskosten in dem Verhältnis, in dem ihr verloren habt (hier also zu 40%).
Es fallen für beide Seiten keine Gerichtskosten an, wenn das Verfahren mit einem Vergleich beendet wird.
Die Höhe der Gerichtskosten ist abhängig vom Streitwert und liegt in der Regel zwischen 75 € (Streitwert bis 500 €) und 500 € aufwärts (ab einem Streitwert von ca. 13.000 €).
Die Gerichtskosten können durch zusätzliche Faktoren angehoben werden. Hierunter fallen z.B. Kosten für Zeug*innenentschädigungen, oder für Dolmetscher*innen.
Die Rechtsantragstelle
Die Arbeitsgerichte haben oft Rechtsantragstellen. Die dort arbeitenden Rechtspfleger*innen können auch Anträge und Klageschriften in korrekter Form verfassen und einige Hinweise geben. Allerdings bieten sie keine Rechtsberatung an. Es ist aber eine gute Möglichkeit, wenn ihr selber in der Formulierung unsicher seid!
Die Rechtsantragstelle in Halle:
https://arbg-hal.sachsen-anhalt.de/themen/verfahren-vor-den-arbeitsgerichten/rechtsantragstelle/
Finanzielle Unterstützung:
Wenn ihr euch anwaltlich beraten oder vertreten lassen wollt und euch das nicht leisten könnt, dann gibt es die Möglichkeit Beratungshilfe und Prozesskostenhilfe (PKH) zu beantragen.
Beratungshilfe könnt ihr für eine Beratung und anwaltlichen, außergerichtlichen Schriftverkehr erhalten. Dafür könnt ihr einen Beratungshilfeschein beim Amtsgericht beantragen. Allerdings müsst ihr der Anwältin*dem Anwalt dann noch 15 € selbst zuzahlen. Manche Anwältinnen*Anwälte verzichten auch darauf. Fragt am besten vorher nach!
Für ein Gerichtsverfahren könnt ihr Prozesskostenhilfe beantragen. Dies geschieht zeitgleich mit der Klageeinreichung. Neben der Prüfung eurer finanziellen Situation wird auch die Erfolgsaussicht der Klage geprüft. Wenn die Klage keine Aussicht auf Erfolg hat, erhaltet ihr auch keine Prozesskostenhilfe. Das kann bei selbst geschriebenen Klagen immerhin ein erster Prüfstein sein.
Eine weitere Möglichkeit finanzielle Unterstützung zu bekommen, ist natürlich die Mitgliedschaft in einer Gewerkschaft oder aber das Abschließen einer Rechtsschutzversicherung. Allerdings sind Rechtsschutzversicherungen oft teuer und haben einen hohen Eigenanteil (oft 150 € oder mehr).
Beratungshilfe in Halle:
https://ag-hal.sachsen-anhalt.de/service/beratungshilfe/
Formular Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse (PKH-Antrag):
https://brak.de/w/files/newsletter_archiv/berlin/2013/pkh_form.pdf
Rechtsquellen:
Die Arbeitsgerichtsbarkeit gehört zum Zivilrecht. Daher orientiert sich ein Gerichtsprozess in vielen Dingen an dem Gesetzbuch, welches Zivilprozesse regelt. Dies ist die Zivilprozessordnung (ZPO). Es gibt allerdings, wie oben beschrieben, einige Besonderheiten. Diese sind im Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG) geregelt.
Gerichtskosten sind im Gerichtskostengesetz (GKG) geregelt, Rechtanwaltskosten im Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG). Beides sind schwer zugängliche Gesetzestexte. Wenn ihr euch anwaltlich beraten oder vertreten lassen wollt, dann fragt auf jeden Fall vorher nach den Kosten!
Rechtliche Gewähr
Bitte beachtet, dass diese Hinweise unverbindlich sind, d.h. keine Rechtsberatung im Einzelfall darstellen. Wir übernehmen daher keine Gewähr für Richtigkeit oder Vollständigkeit.
Wenn ihr euch an diesen Hinweisen orientieren möchtet oder sie vollständig übernehmen wollt, solltet ihr beachten, dass ihr damit Rechtsfolgen herbeiführen könntet, die in eurem speziellen Fall möglicherweise nicht die richtigen sind. Sollte euch daher irgend etwas unklar sein, lasst euch lieber vorher gewerkschaftlich oder anwaltlich beraten.